Viele Gemeinden, Kantone und auch Bundesämter managen die ganze Breite der IT – oder zumindest einen Teil davon – immer noch selbst. So gibt es je eigene IT-Ökosysteme für Software seitens Gemeinden, davon partiell getrennt für Kantone und wiederum fast vollständig getrennt für Bundesämter.

Was allerdings zuerst festgehalten werden muss, ist die Tatsache der ungeheuren Breite von Tätigkeiten und Leistungsangeboten oder -verpflichtungen seitens der Verwaltungen. Dies geht von der Infrastrukturbereitstellung (Abfallwesen, Abwasserwesen, Wasserversorgung, Elektrizitätsversorgung etc.) über professionelle Services in den Supportbereichen Finanzen, Personalmanagement, IT-Management, Vollzugsverwaltung und politische Verwaltung und das von vom Sozialwesen, bis zum Steuerwesen sowie zur Polizei und zur Feuerwehr. Diese enorme Breite des Public Sector gibt es in der Privatwirtschaft, wo sich Unternehmen in der Regel auf bestimmte Teilmärkte oder Marktsegmente spezialisieren, in der Regel nicht im gleichen Umfang. Dies ist aber auch die grosse Herausforderung an die Marktanbieter für Software und IT-Systeme für öffentliche Verwaltungen. Aber, das macht diesen Markt auch so interessant, so wenig auch über ihn bekannt ist. Viele der Firmen, welche für die öffentliche Verwaltung Software anbieten, sind einer grösseren Öffentlichkeit zumeist unbekannt. Ausnahmen gibt es.

Auch eine Frage der Grösse

Die Grössenverhältnisse von Gemeinden sind ähnlich denjenigen der Schweizer KMU-Landschaft: Der Grossteil der Gemeinden hierzulande ist klein, ein kleinerer Teil mittelgross ist und der kleinste Teil sehr gross. Natürlich kommt es noch darauf an, woran dies bemessen wird. Wie dies im Lizenzmanagement für Gemeindesoftware ebenfalls üblich ist, gehen wir von der Zahl der Einwohner aus. Eine mittelgrosse bis kleine Gemeinde hat in der Regel ein Gemeindeverwaltungssystem, über das beispielsweise das Einwohnerwesen, das Steuerwesen, das Bauwesen zum Teil abgebildet wird. Viele oder die meisten Gemeinden haben auch ERP-Lösungen im Einsatz, sei es intensiv abgestimmt mit der Software für die Gemeindeverwaltung oder aber mit anderen Lösungen. Über die ERP-Lösungen werden alle betriebswirtschaftlichen Aspekte wie Personalmanagement, Finanzmanagement, Ressourcenmanagement, Kosten-Leistungs-Rechnung, Bilanzerstellung etc. gemanaged. Wie erwähnt kommen Gemeindeverwaltungslösungen für die Mehrheit der Vollzugsaufgaben der Gemeinde zum Einsatz.

Sonderfall Sozialwesen

Aus Datenschutzgründen meist getrennt und nicht in Einwohnersoftwares integriert existieren Lösungen für das Sozialwesen. Ebenfalls für das Management von Abstimmungen und Wahlen in Gemeinden. Es ist klar wieso separiert: Thema Datenschutz. Niemand soll ein Gesamtbild über mich bei der Gemeinde haben, z.B. derart, dass bekannt ist, dass ich Invalidenrente beziehe, bin ein Sozialfall bin, dass ich notorisch rechts stimme und wähle und dass ich faktisch keine Steuern zahle, aber einen BMW der 7-er-Reihe fahre, etc.

Für das Sozialwesen kommen in der Regel separierte Dokumentenmanagementlösungen zum Einsatz, oder auch Case-Management-Werkzeuge, in welchen Fälle systematisch als Dossiers geführt und in die Zukunft hinein gemanaged werden können. Dokumentenmanagementsysteme können im Bauwesen zum Einsatz gelangen, wo viele Pläne etc. zu verwalten sind, aber auch generisch als elektronische Geschäftsverwaltungs-Anwendungen im politischen Teil der öffentlichen Verwaltung oder im Informationsaustausch mit Parlamenten und „Regierungsmitgliedern“.

ERP als IT-„Unimog“

Fortschrittlichere Gemeinden werten aus statistischer und verwaltungswirtschaftlicher Sicht und für die Steuerung der Gemeinde relevant meist über die entsprechenden ERP- oder Gemeindeverwaltungslösungen entsprechende Daten aus. In sehr wenigen Verwaltungen existieren dazu heute Business-Intelligence- oder Data-Warehouse-Lösungen. Es ist ja klar, die wirkungsorientierte Verwaltungsführung war zwar einmal ein zentrales Paradigma für das moderne und neue Verwaltungsmanagement, aber Furore gemacht hat dieses Paradigma in der Regel nicht. Wo das verwaltungswirtschaftliche Handeln in Richtung der Betriebswirtschaft heute wohl am eindrücklichsten zu beobachten ist, ist beim Thema Finanzverwaltung. Eben haben sehr viele Gemeinden, Kantone und der Bund von der Kameralistik zur Dopik gewechselt. Das Management der Gemeindefinanzen ist damit logischerweise von zentraler Bedeutung, auch wenn im Sinne eines Betriebsabrechnungsbogens die Gemeindeleistungen noch in den wenigsten Fällen als wirkliche Kostenträger geführt werden.

Grosse ERP-Anbieter, wie etwa SAP, sind entsprechend meist in sehr grossen Gemeinden/Städten, Kantonen und beim Bund vertreten. Häufiger sind ERP-Implementierungen etwa von Microsoft, Abacus oder auch anderen in kleineren und mittleren Gemeinden.

Unterschiedliche Marktsegemente

Die Grösse der Zahl der Gemeinden macht, trotz deren sehr unterschiedlicher Grösse und Lage, diesen Markt für Standardsoftwareanbieter oder Entwickler von spezialisierter Standardsoftware interessant. Auf kantonaler Ebene ist die Software-Anbieter-Landschaft viel disperser, heterogener und fragmentierter. Erstens sind es „nur“ 26 Kantone gegenüber ca. 2‘350 Gemeinden und notabene gegenüber ca. 80 Bundesämtern. Wo sich unterdessen Standardlösungen herausgebildet haben, ist etwa (ohne Gewähr auf Vollständigkeit) in den Bereichen Austauschplattformen für Einwohnerdaten zwischen Gemeinden und Bund (konkret dem Bundesamt für Statistik) sowie etwa für Lösungen für Strassenverkehrsämter, etc. Beispielsweise haben sich im Bereich der Landwirtschaft für das Direktzahlungswesen ca. 4 Softwarefirmen herauskristallisiert, die den Markt de facto unter sich aufteilen. Diese Marktaufteilung ist für diverse andere Bereiche des Verwaltungshandelns ähnlich unter Softwareanbietern. Man kann entsprechend von relativ sicheren Einkommen der entsprechenden Firme ausgehen, allerdings auch nicht von dramatischen Veränderungen bei Umsatz und Kostenmanagement. Hier ist der Wettbewerb auf der Gemeindeebene ganz leicht grösser als auf kantonaler oder gar der Bundes-Ebene. Sehr spannend ist auf der Gemeindeebene natürlich auch, das sich Lösungen, die auch in KMU eingesetzt werden, notabene auch als Standardsoftwarelösungen in Gemeinden zum Einsatz gelangen.

Auf der Bundesebene wiederum ist der Markt in der Regel noch disperser und heterogener. Nur sehr langsam haben sich auf kantonaler und auf Bundesebene Standardlösungen etwa im Bereich ERP durchzusetzen begonnen. Entsprechende Anbieter versuchen nun auch in die Domäne der Vollzugsverwaltung einzudringen, etwa ins Einwohnerwesen. Der Erfolg ist teilweise vorhanden. Doch der Markt ist gegenüber den spezialisierten Anbietern doch recht hart für entsprechende Standardsoftwareanbieter. Gelegentlich kommt es noch vor, das auf der Bundesebene eigenentwickelte Lösungen vorhanden und in Betrieb sind, dies analog etwa zum Krankenhauswesen, wo in wenigen Spitälern noch eigenentwickelte Krankenhausinformationssysteme im Einsatz sind. Zudem kommt es relativ oft vor, dass einzelne Firmen sich auf bestimmte Lösungen für Bundesämter spezialisier(t)en, was zu den bekannten Phänomenen führte, wie wir sie heute kennen (Lock-in, Beschaffungsproblematik, fehlende IT-Governance, etc.). In den öffentlichen Untersuchungsberichten zu Insieme oder etwa auch anderen kantonalen IT- und Software-Beschaffungsfällen ist von diversen entsprechenden Firmen die Rede.

Chancen für Nischenanbieter

Wie erwähnt ist das Portfolio an verschiedenen Leistungen und die Leistungsbreite über alle drei föderalen Ebenen extrem gross und breit. Dies birgt seine Probleme, ermöglicht es Nischenanbietern jedoch einen mehr oder weniger sicheren (monopolistischen) Markt zu betreuen und damit längerfristig Bestand zu haben. Allerdings dürfte sich dieser Markt in der Zukunft verändern, und zwar u.a. wegen des E-Governments, wegen der Interoperabilität und wegen der Technologie, die entsprechenden Informationssystemen zugrunde liegt und zugrunde gelegt wird. Beispielsweise hat sich die Firma Ruf, früher spezialisiert auf Buchhaltungs-Informationstechnologie (die früher wie Strickmaschinen ausgesehen hat), hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren ein komplett neues Gesicht und eine neue Softwarearchitektur gegeben. Dies erfolgte wohl u.a. auch aufgrund der Wettbewerbsposition von NEST, einem Konglomerat von Softwareanbietern, das Gemeindelösungen in Konjunktion mit Abacus als ERP-Lösung anbietet. Entsprechende „Renovationen“ dürften je nach „Intensität“ des Anbieterwettbewerbs auf den unterschiedlichen föderalen Ebenen unterschiedlich ausfallen und damit auch unterschiedliche Auswirkungen (etwa Marktaustritt versus Stärkung der Wettbewerbsposition) haben. Es wird spannend sein, diesen Wettbewerb in den kommenden Jahren zu beobachten. Allzu grosse disruptive Changes sind in diesen Märkten in der Regel nicht zu erwarten. Verwaltungen haben in ihren Tätigkeitsbereichen in der Regel das Monopol. Trotzdem schreitet die Entwicklung voran und gewisse künftige Entwicklungen werden auch im Bereich der Verwaltungssoftware eintreten, die uns wohl noch erstaunen werden. Bring-your-own-Device und Service-orientierte Architekturen sowie das Multi-Channel-Management sowie das Citizen Relationship Management werden das ihre dazu beitragen.

Open Source? Eher nein

Ein Wort noch zum Thema Open-Source-Software in öffentlichen Verwaltungen. Die Unterschiede in der Wahrnehmung der Position von Open Source Software sind nach wie vor gegeben. Die Marktmacht etwa im Office-Bereich ist da, entsprechend hat es Open-Source-Software schwer sich durchzusetzen. Die Thematik der Interoperabilität in Relation zur geringen Experimentierfreude der öffentlichen Verwaltung trägt eher dazu bei, dass alles beim Status Quo bleibt und im Enduser-Bereich eher traditionelle Closed-Source-Software zum Einsatz gelangt. Jedoch ist Open-Source-Software, analog etwa zur Privatwirtschaft in Bereichen ein Thema, wo es der Enduser eher nicht merkt, beispielsweise im Management von Servern oder anderen IT-Bereichen, die eher die Infrastruktur betreffen. Die geringe Penetration bezüglich Open Source Software wird sich auch nicht so schnell ändern, da in der Regel der Marktdruck etwa im Office Bereich durch die private Nutzung von Closed Source Software auch auf den Tätigkeitsbereich der Privatpersonen im Verwaltungskontext überträgt.

Konrad Walser

Prof. Dr. Konrad Walser ist Dozent und Senior Researcher am E-Government-Institut der Berner Fachhochschule | www.e-government.bfh.ch. Er ist Co-Organisator und Programmleiter der Gov@CH  – der neuen Messe und Konferenz für Digitale Verwaltung.